Samstag, 22. August 2009

Ariana Franklin, Die Totenleserin

Cambridge 1170. Ein kleiner Junge wird tot aufgefunden, angeblich von den Juden gekreuzigt. Als drei weitere Kinder sterben, droht ein Aufruhr. Heinrich II., König von England, muss den wahren Mörder finden und sendet nach einem Totenarzt.

Keiner ahnt, dass es sich dabei um eine junge Frau handelt, die beste ihres Fachs. Um in England ermitteln zu können, muss Adelia ihre wahre Identität verbergen. Mit ihren Fraugen stößt sie bei Stadtvätern wie Kirchenherren auf Misstrauen und Schweigen. Wem kann sie vertrauen?


Der Klappentext klingt, man kann es nicht anders sagen, sehr hebammig. Außerdem irritiert im ersten Moment die Mischung: Bones im Mittelalter? Hebammen, weise Frauen, Kräuterweiblein – geschenkt, im Dutzend billiger. Aber eine antike Pathologin, das ist zumindest neu.

Trotzdem scheint es sich mal wieder um einen Roman der üblichen Strickart zu handeln: junge, unglaublich begabte Frau, klüger und besser als alle anderen, kann, was kein anderer kann und ist letztendlich doch nur auf der Suche nach einem virilen Mann, der sie mal so richtig ... liebhat.

Ich hab's trotzdem gelesen und kann nun voller Überzeugung sagen: weit gefehlt! Vesuvia Adelia Rachel Ortese Aguilar ist kratzig, sehr überzeugt von ihren Fähigkeiten, sich ihrer Einschränkungen aufgrund ihrer Weiblichkeit grundsätzlich zwar bewußt, aber trotzdem kein passives Weibchen sondern richtig erfrischend respektlos, wie übrigens auch der ganze Stil des Buches. Die restlichen dramatis personae befinden sich auch erfreulich weit weg von den üblichen Clichés, erscheinen ungekünstelt und wirklich gut abgerundet. Sie sind eitel, verzweifelt, hilfreich, engagiert, borniert, verschlagen, beschränkt, scharfsinnig, ängstlich und manchmal sehr dum, kurz: menschlich.

Darüber hinaus kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Geschichte mit einem leicht ironischen Augenzwinkern geschrieben wurde, was ihrer beeindruckenden Eindringlichkeit aber keinen Abbruch tut.

Die Geschichte selbst ist dicht gestrickt, es passiert so einiges (ist ja immer wichtig, ne?) und sie kann, rein von den Sachverhalten her, mit modernen Thrillern, die in der Gegenwart spielen, leicht mithalten. Hollafuchs, da schlackern einem echt die Ohren! Sieht so aus, als wären schon im Mittelalter Menschen in die tieferen Abgründe des Seins hinabgestiegen. Da guck.

Hier ein kleiner Auszug aus dem Buch. Adelia besucht (rein aus Ermittlungsgründen natürlich) eine Feierlichkeit und ist schon leicht angetütert.

Das Auge einer gerösteten Rohrdommel, die ungeröstet im Schilf des Marschlandes, wo sie hingehörte, besser ausgesehen hätte, starrte Adelia vorwurfsvoll an.

Sie entschuldigte sich stumm bei ihr. Es tut mir leid. Es tut mir leid, dass sie dir Trüffel in den Hintern gestopft haben.


Ein tolles Buch! Ich kann's nur empfehlen.

6 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Oooh! Amazon sagt übrigens, es gibt schon eine Fortsetzung - "Die Teufelshaube".

FrauKatz hat gesagt…

Jep. Das liegt schon auf meinem Nachttisch (als Hardcover! Kannstemal sehen, wie sehr ich die Geschichte mochte!) und wartet ungeduldig auf die Zeit nach der Weiterbildung, auf dass ich es auch anständig genießen kann. :-D
 

Alienor hat gesagt…

Hmmm, das Buch ist bei Tauschticket gleich mehrfach für 1 Ticket zu haben, ich glaub, das kommt auf die Liste! :-)

(Meh. Früher war Tauschticket immer gut für "könnte man mal lesen" - Bücher, für die man nicht viel Geld ausgeben will. Aber seitdem sie die Ticket-Begrenzung aufgehoben haben und gerne mal 4-5 Tickets für ein normales Buch verlangt werden, ist das irgendwie auch keine brauchbare Alternative mehr.)

FrauKatz hat gesagt…

Mach das, ist echt ein schönes Buch. :-D

Ja, TT ist teilweise richtig teuer geworden. Ich bin da ein bisschen reaktionär, meine Bücher kosten fast alle weiterhin nur ein Ticket, nur die ganz neuen TBs zwei, falls der Zustand wirklich noch wie neu ist. :nick:

Hoppi hat gesagt…

Hm hm hm. Soll ichs auf deutsch lesen oder in der OV? :entscheidungsunfreudig:

Melantrys hat gesagt…

Huhu, ich bin neu hier! *wink*

Liege grad' krank zuhause darnieder und kämpfe mich durchs Archiv.
Witzig, als mein Schwesterlein mir dieses Blog ans Herz legte, und schon mal die Hebammen-Besprechung anriß, fiel mir sofort diese zu kurze ( *schnuff* Warum sterben Leute?!) Buchreihe ein.
Und zwar, weil die Inhaltsangaben der anderen Reihen, die die Autorin so schrieb, ziemlich Marthe-mäßig klangen, und auch in dieser Reihe ab Band 2 der Sex eher nervig-künstlich wirkt (Ach, ja nu', is' halt ein historischer Roman mit 'ner Frau, da muß ich se wohl mal wieder poppen lassen jetzt. Püff, ach je, nagut.). Nichtdestotrotz hätte ich gerne mehr davon gelesen (*schnupfsel*), weil die Geschichten und die Charaktere ansonsten mir sehr gefallen haben.
Adelia rules.

Joa.

Ich les' dann mal weiter hier.