Freitag, 6. November 2009

Das gläserne Tor – V

Sie hatten es sich anders überlegt: Sie hatten jemanden ausgeschickt, ihn zu töten. Wer immer es war, er machte sich nicht die Mühe, leise aufzutreten. Warum auch, schließlich lag er, Anschar, bäuchlings im Wüstensand, und das aus purer Erschöpfung.


Ja, die ganze Zeit mit lästig zusammengehobbelten Füßen durch die Wüste zu latschen, ohne Wasser auch noch, ne, das erschöpft auch den größten Krieger. Trotzdem wird er, einer der Zehn, nicht einfach so aufgeben. Sobald er den Saum des Gewandes seines Verfolgers sieht fährt er hoch, packt die Gestalt und wirft sie zu Boden.

Gut, das helle Gekreische lässt ihn dann doch stutzig werden.

Wir ahnen es schon, er muss es erst verblüfft feststellen: unter ihm () liegt Grazia in all ihrer Rothaarigkeit. Bewußtlos. Er versucht sie mit sanften Ermunterungen wie Ohrfeigen aus der Ohnmacht zu wecken, allerdings vergeblich.

Ooops, denkt sich Anschar, und schleppt sie erst mal in den Schatten einer kleinen Schlucht. Dort stellt er fest, dass sie doch recht flach atmet und außerdem recht steif in seinen Armen gelegen hatte. Weitere Nachforschungen in der Richtung ergeben, dass die seltsame Frau offensichtlich eine Art Brustpanzer trägt, der sehr eng geschnürt ist.



Na, denkt sich unser Held, vielleicht muss sie das ja tragen, weil ihre Taille so schmal ist. Während Grazia nun immer noch des Bewußtseins verlustig gegangen herumliegt, trinkt er aus ihrem Wasserschlauch und wühlt in ihren Besitztümern herum.


Grazia erwacht. Sie hat Kopfschmerzen, aber noch schlimmer ist eine gewisse Schaukelei, die ihrem Magen so gar nicht gefallen mag. Es braucht eine kurze Weile, bis sie sich soweit sortiert hat, dann aber bemerkt sie, dass Anschar sie auf dem Rücken durch die sonndurchglutete Wüste schleppt, wie nett, und sie – NEIN! – dabei an den nackten Kniekehlen berührt!

Ein wenig Gestrampel später liegt unser züchtig Mägdeleyn im Sand und Anschar drückt seine Freude darüber aus, dass sie nun wieder ansprechbar sei. Man plänkelt ein wenig herum, dann will Anschar weiter. Grazia aber ist erschöpft und fertig und überhaupt und was sind das hier für Zustände in dieser Wüste und so wird sie schließlich wieder ohnmächtig. Darf Anschar sie also weiter durch die Backofenhitze schleppen. Mei, da wird er sich aber freuen.

Es ist bereits Abend, als Grazia wieder aus ihrer Ohnmacht erwacht. Sie rasten geschützt in einer kleinen Schlucht und Anschar schläft erschöpft. Madame tapert nun ein wenig herum findet eine Muschel und denkt an die Sage des Fluches. Der besteht offensichtlich aus Wasserlosigkeit (die ganze Wüste war früher ein Meer) und würde über Argad und Temenon verhängt, weil die beiden Nationen sich immer gekloppt haben und nicht aufhören wollten. Ah. Also quasi ein göttliches „Ihr geht jetzt jeder auf sein Zimmer und ICH WILL KEINEN TON MEHR HÖREN!“

Anschar erwacht und sie unterhalten sich über Meere und Muscheln. Gloria will ihm grade was über ihre eigenen Gewässer erzählen, da fällt des Helden Blick auf ein fernes Lagerfeuer. Oh, meint er, das könnte einer der anderen Suchtrupps sein, eventuell der aus Hersched; da solle man mal vorbeigucken.

Sie machen sich auf den Weg. Jopp, es ist tatsächlich der Herschedentrupp und es gibt Wasser und gebratene Eidechse. Hurra!

Gloria wird bestaunt und Anschar beweist sehr nachdrücklich, dass sie keine Wüstenfrau ist. Das ist wichtig, denn mit einer Wüstenfrau (IGITT!) gesehen zu werden ist dort wohl etwa ebenso ruffördernd wie bei uns ein pensionierter Verwaltungsfachangestellter, der sich als Britney Spears verkleidet und so einkaufen geht. Oder so. *fuchtel*

Man plauscht wieder ein wenig am Lagerfeuer, tauscht Erzählungen darüber aus, was so passiert ist die letzten Wochen, doch ei, der Eindruck mag nicht weichen, dass da sowas wie eine unterschwellige Spannung besteht zwischen Anschar und Herschediden.

Zumindest lese ich das aus der Tatsache heraus, dass Anschar Gloria in der Nacht heimlich weckt, sie an zwei gemurksten Wachen vorbei zu den Sturhörnern (= Reittiere, wie heißen diese riesigen, zottigen Dinger aus Star Wars nochmal gleich?) schleift, ihr bedeutet, schnell aufzusteigen und dann mit ihr holterdipolter in der Wüste verschwindet. :trocken:

Es gibt dann noch ein wenig Hin und Her und Geschrei und Vergefolge, weil Gloria ihr Täschchen vergessen hat und Anschar zurückschickt, aber schon bald galoppeln sie mit dem Wasser der Herschediker durch die nächtliche Wüste.

Und warum das Ganze? Weil Anschar den Herschiken-Anführer belauscht und gehört hat, dass der ihn bei einer passenden Gelegenheit auf der Rückreise töten wollte und mit dem Feuerköpfchen wollten sie wahrscheinlich „Wer hat Angst vor der bösen Verwarnung“ spielen.

Ja, hmm, gut, isn Grund würde ich sagen.

Aber nu is ja alles wieder gut und Gloria darf sich an Ansgars breiter Kriegerbrust ausweinen. Mit geordneterem Gefühlsleben geht es dann weiter Richtung Atlantis, wo Anschar seinem König Bericht erstatten muss.

16 Kommentare:

amanda james hat gesagt…

wie jetzt? sie schickt den armen mann nochmal zurück wegen ihrer TASCHE? boah ey, da war der ja echt geduldig!

und ist er jetzt der typ der sie gewässert hat, oder ist das eben jener gott(?) gewesen, der das meer hat verschwinden lassen?

FrauKatz hat gesagt…

Ja, hömma, hier, eine Frau ohne Tasche, das ist ja wohl voll unschicklich! Das ist ja fast so schlimm wie entblößte Knöchel!

Ansgar ist einfach nur ein toller Typ.

Der Typ, der sie gewässert hat, ist der Wassergott (Ach? :ugly:).

Der Wassergott ist auch der Gott, der von den anderen Göttern verbannt wurde und damit auch der Gott, den Ansgar und die anderen Suchtrupps finden sollten.

Wahrscheinlich haben die anderen Götter den Wassergott aufs Zimmer geschickt, damit ihr Fluch (der von wegen Meer weg und Wasser weg und alles) funktionieren kann. Sowas geht ja nicht, wenn der Wassergott noch herumläuft und alles wässert, was bei drei nicht auf dem Baum ist. Und selbst dann wässert er wahrscheinlich noch den Baum. :ugly:

Das wäre dann ja ein schöner Trockenheitsfluch, ne? :zahn:

Anonym hat gesagt…

Okay, die Geschichte verwirrt mich grad ein bisserl, aber immerhin hab ich eine Antwort auf die drängendste Frage: Banthas! (= die riesigen zottigen Reittiere aus Star Wars)

Möge die Macht mit ihnen sein
wünscht
Undomiel

Ach ja: sie hat ihren Wüsten Helden ja schon gut erzogen, wenn er ihr das Tascherl nachträgt. Vielleicht sollte ich das Buch lesen (ist da ne Bedienungsanleitung für Männer bei?)

mohrchen hat gesagt…

"Wer hat Angst vor der bösen Verwarnung"? Das amüsiert mich jetzt mehr, als es vielleicht angemessen ist. Und ein Korsett als Brustharnisch zu beschreiben finde ich auch brüllend komisch!

Anna Nym hat gesagt…

Welcome back! Ohnmacht ist das alte Meißen. :ugly:

Alienor hat gesagt…

Also, ich muss ja sagen, dass ich das Buch bisher noch richtig gut finde!
Es passiert ab und zu mal was, Grazia hat sich immer noch nicht in eine alleskönnende Amazone verwandelt, obwohl wir doch schon im fünften Kapitel sind und diese Kulturclash-Einsprengsel mit den Kniekehlen und dem Korsett sind doch mal zum Piepen! *gacker*

Ansonsten erinnert's mich irgendwie ein bisschen an die alten Karl-May-Geschichten, aber mei, das ist ja nicht das schlechteste. (Ich warte jetzt, das irgend so ein witziger Sidekick auftaucht, wahrscheinlich hat er 'nen fusseligen Bart. ;-))

amanda james hat gesagt…

hab mal ein weng gegoogelt und hier ist ne seite wo man mal sehen kann was die arme grazia so alles mit sich rumschleppen musste...alter schwede..bin doch sehr froh, daß coco seinerzeit das geändert hat!
http://www.lorkande.de/Spaete/Spaete.htm

Halefa hat gesagt…

Kriegt Grazia einen - OMG, wie unschicklich! - Sonnenbrand? Und hat sie sich überhaupt irgendwann mal gewaschen? Armes Mädel.

schildmehdchen hat gesagt…

Volle Zustimmung, Alienor! Bisher ein geradezu erschreckend un-trashiges Buch. *g* Wobei ich die Kombination aus 19. Jahrhundert und Fantasy auch sehr amüsant finde.

@Anna Nym: Wenigstens wird sie nicht immer zum Kapitelende ohnmächtig. :ugly:

Anna Nym hat gesagt…

@schildmehdchen: Aber es hat durchaus Vorteile, wenn man erst gegen Ende des Kapitels ohnmächtig wird! Dann besteht die Möglickeit, dass man am Anfang des folgenden Kapitels wieder ansprechbar ist und der Leser sich nicht mit ohnmächtig, ohnmächtig, immer noch ohnmächtig, lalala (sind wir bald in Meißen?) herumschlagen muss.

Aber gut - wenn man nur durch die Wüste spazieren soll, ist es natürlich praktischer, mitten im Kapitel wegzutreten und dann herumgeschleppt zu werden. Das Elflein bei Eragott hat diese Taktik auch hervorragend beherrscht und Eragott fand mit der Zeit immerhin ihren Rücken betrachtenswert. Der spröde Junge. :ugly: Na, Ansgar scheint da weniger göttlich zu sein, wenn er Meißen ausnutzt, um die Schutzkleidung der Dame zu inspizieren. :very-ugly:

Silph hat gesagt…

Er liegt vor Erschöpfung flach in der Wüste herum und dann steht er wieder auf und trägt Grazia stundenlang durch die Gegend? Ist er vielleicht doch mit Eragott verwandt?

Anonym hat gesagt…

Jetzt muss ich dran denken, wie Hoppi in Bayreuth eine Szene in einer Verkehrskontrolle heraufbeschworen hat: "Naja, dieses Mal lassen wir Sie noch mal mit einer Verwarnung davon kommen." - "Naaaain!"

FrauKatz hat gesagt…

@Undomiel
Banthas! Genau die! So stelle ich mir die Sturhörner vor. :-D

@Alienor
Stimmt, auf die spontane Verwandlung in die säbelschwingende Amazone warte ich auch noch. :-D „Sie hatte es schon immer in sich, nur die Zeiten und die Korsette und das Zeug haben sie daran gehindert, ihr wahres Potenzial zu erreichen!“ :ugly:


@amanda
Coco? Chanel?


@Anna Nym
„Papa Schlumpf, sind wir bald in Meißen?“ – „Nein!“ *g*


@Silph
Wenn es um die Rettung einer Dame geht, da werden doch gleich wieder die letzten Kräfte mobilisiert. :-D

Silph hat gesagt…

@Korsett
Eignet sich doch bestimmt toll zum Kämpfen. Ist doch ein Brustpanzer ;)

amanda james hat gesagt…

@frau katz: ja, genau die! die war ja auch der meinung, daß frau sich in sowas(korsett) nicht bewegen könnte(laut film-aber sehr anschaulich dargestellt:ugly:)

Alcarinque hat gesagt…

Das war tatsächlich mal ein Meer? :suspekt:
Ich nehme mal an, das das Buch nicht so alt ist, also tatsächlich von Hohlbein geklaut? Herrje...