Freitag, 13. August 2010

Die Nebel von Avalon – I

Die Geschichte beginnt auf Tintagel, das recht verlassen auf einer Steilklippe über dem Meer, nun, herumliegt, und Igraine, der Hausherrin. Herzog Gorlois ist gerade außer Haus, sich mit irgendwelchen Ungläubigen prügeln. So hat Igraine viel Zeit, uns an ihren Gedanken teilhaben zu lassen.

Zum Einen erfahren wir, dass Tintagel vielleicht nicht nur irgendeine beliebige Burg ist, nein, der Volksmund raunt sich zu, dass sie gar damals vom geheimnisvollen Volke Ys errichtet wurde! Igraine selbst wiederum ist auch nicht ohne, stammt von der geheimnis- und bedeutungsvollen Insel Avalon und hatte mal das zweite Gesicht. Das hat sie dann aber nach Morgaines Geburt irgendwie verlegt. Weiß man ja wie das ist, Baby ist da, Baby schreit, man bekommt wenig Schlaf ... da gehen schon mal Sachen verloren. Haustürschlüssel. Fernbedienungen. Zweite Gesichter.

Macht Igraine aber nichts aus. Immerhin ist Gorlois nett zu ihr, ne, und als pflichtbewußte Tochter der Insel tut man eben, was man tun muss.

[G]leichgültig, ob dies bedeutete, als Opfer zu sterben, ihre Jungfräulichkeit in der Heiligen Ehe hinzugeben, oder einen Mann zu heiraten, wenn man hoffte, dadurch ein Bündnis zu festigen.


So ein bisschen larmoyant hört sie sich ja an, die gute Igraine. Aber wenn ich aus politischen Gründen mit 15 einem nach römischer Sitte lebenden Christen angetraut werde, anstatt eine anständige Tochter Der Insel® und Priesterin und wasweißichnoch zu werden, und nach der Geburt meiner Tochter mein Gesicht verliere, dann wäre ich wahrscheinlich auch unterschwellig etwas weinerlich. Muss ich zugeben.

Weil das alles ja nun recht unschön ist, hat Iggy auch gleich noch eine Vision ihrer Halbschwester Viviane, ihres Zeichens und Amtes die Herrin vom See sowie die Herrin der heiligen Insel.
Vivi fragt vorwurfsvoll, ob Iggy ihre Sehergabe gar freiwillig aufgegeben hätte, die ist dezent beleidigt und meint, es sei schließlich Vivi gewesen die ihr befohlen hätte, Gorloth zu heiraten, ne, und dann ist die Vision schon wieder ums Eck im Nebel verschwunden.

Iggy ist sofort zweierlei klar: Vivi kommt sie besuchen, somit ist das zweite Gesicht zumindest vorläufig wieder aufgetaucht und Vater Columba, der Hausseelsorger, würde diese ihre doch in ihrer Urweiblichkeit verwurzelten Fähigkeit als ein Zeichen Satans sehen, das er in seiner geistigen Beschränktheit ohnehin in allem und jedem sah. Denn der Christengott scheint keinen Wert auf Intelligenz zu legen, denkt zumindest Iggy.

Vater Columba erinnert mich da irgendwie an Grampa Simpson in der Folge, in der er in allem und jedem den Tod sah.
„Ahhh! Der Tod!“ – „Aber nein Grampa, das ist die Katze.“
„Achso. ... AAAAHHH! DER TOD!“ – „Nein, das ist ein Stuhl.“

Sei es, wie es sei, es wird jedenfalls Besuch kommen. Iggy teilt ihrer 13jährigen Schwester Morgause, die wohl zu Erziehungszwecken bei ihr auf Tingeltangel weilt, mit, dass demnächst dann mal Besuch käme und sie sich entsprechend gewanden solle.

Morgause sah sie verwundert an. „Ich habe nichts gehört“, sagte sie, „es war auch kein Bote da.“

„Das überrascht mich nicht“, antwortete Igraine, „dazu braucht es keinen Boten, es ist eine Vorahnung. Viviane ist auf dem Weg hierher, und der Merlin begleitet sie.“

Ehe sie das sagte, hatte Igraine es selbst nicht gewußt.


Dat Kind, Morgaine, solle dann auch mal aufgerüscht werden, denn Vivi würde sie sicherlich gerne mal sehen wollen. Morgause nölt, Teenager der sie ist, noch ein paar Widerworte, geht dann aber brav alles erledigen.

Iggy macht sich nun selbst fertig und der aufmerksame Leser erfährt wichtige Dinge: dass ihr das Hochzeitskleid noch passt, dass sie ihre Prä-Kind-Figur wieder hat und, ganz essenziell, dass sie immer noch tolle Brüste hat. Muss man ja wissen, damit man das weitere Geschehen korrekt einzuordnen weiß, nicht wahr?

Außerdem denkt sie an Gorloth, daran, dass er ihr Bett dann nach seiner Rückkehr bestimmt wieder teilen würde und dass er, natürlich, auf einen Sohn gehofft hatte.

Was Iggy dämlich vorkommt. Eine maternale Erblinie sei viel sinnvoller, denn da sei man sich wenigstens sicher, dass die Kinder wirklich die eigenen sind, ne? Außerdem gibt es noch einen pikanten Abstecher in das Lust- und Lotterleben des Gorloth, der dereinst die Magd Ettarr schwängerte (aber nur aus Rücksicht auf Iggy, die lieber Morgaine noch ein wenig stillen wollte; isser nicht ein Gentleman?), welche das Kind aber verlor, wahrscheinlich dank der Kräuterkünste (kommt ein Buch, das vor 1970 spielt, eigentlich ohne Kräuterweisheit aus?) der alten Gwen.

Zuuustände hat's da! Zuuuustände! Da blickt man ja kaum noch durch!

Der Besuch kommt dann auch schon bald auf den Hof geritten. Vivi, Merlin und vermutlich noch ein bisschen Entourage. Baby-Morgaine wird der uralten Herrin vom See (immerhin schon über 30) überreicht und:

„Sie sieht ja wie DU aus!“ rief Igraine überrascht, und ihr wurde bewußt, daß sie das schon längst hätte erkennen müssen.


Macht ja nix, jetzt weiß sie's ja.

Der Begrüßungskelch geht herum, man murmelt Heiligkeiten und unterhält sich.

Iggy: „Was führt euch her? Und warum eigentlich erst jetzt, huh? Ich war hier furchtbar einsam und musste pflichtschuldigst ein Kind zur Welt bringen, während ihr da drüben auffe Insel bewußtseinserweiternde Kräuter und Tänze aufgeführt habt!“
Vivi: „Ja. Nu. Ging halt nicht anders. Außerdem war ich selbst schwanger. Den Sohn habe ich einer Christin gegeben.“
Iggy: „Ah.“
„Der Weg wird übrigens immer schwieriger zwischen Insel und Welt. Du weißt ja, die rote Luftmatratze unseres Glaubens treibt ab.“
Merlin: „Deswegen sind wir übrigens auch hier.“
Vivi: „Die Christen verteufeln die Frau an sich und machen den Weg immer schwieriger.“
Iggy: „Achwas? Aber mich mit einem Christen verheiraten! Hmpf!“
Merlin: „Ja, konnten wir denn damals wissen, was für Fanatiker die Typen sind?“

Es folgt noch eine Menge müthischer Marginalien, bis Vivi und Merli endlich zum Punkt kommen.

„Rom kann uns nicht helfen“, erklärte Viviane. „Wir brauchen unseren eigenen Führer, einen Mann, der über das ganze Land befehlen kann; sonst wird Britannien fallen, wenn sie sich gegen uns sammeln. Und für Hunderte und Aberhunderte von Jahren werden wir unter der Knechtschaft der sächsischen Barbaren leiden. Die Welten werden sich unwiderruflich voneinander trennen, und die Erinnerung an Avalon wird noch nicht einmal in Legenden weiterlegen, um den Menschen Hoffnung zu geben. Nein, wir müssen einen Führer haben, dem alle Völker in beiden Britannien Treue schwören ...“


Und weil man sich diesen König nicht einfach mal so eben aus Katzenstreu und Lehm backen kann, ist man zu Iggy gekommen: sie möge ihn dann doch bitte zeitnah gebären.

„Aber wo werden wir einen solchen König finden?“ fragte Igraine. [...]

„Du, Igraine. Du sollst die Mutter dieses großen Königs sein.“


Na, wenn das keine Karriere ist – gerade noch einsam und unglücklich im zugigen Tingeltangel, jetzt die zukünftige Mutter des Retters Britanniens. Nicht übel.

13 Kommentare:

DieJo hat gesagt…

Oha da wird ja mal wieder ganz und gar nach der Weiber Art genölt. Wenigstens wissen wir jetzt, wer für die ganzen Lenden zuständig ist: die Christen! Damit fings an! Heureka!

Silph hat gesagt…

Natürlich sinds die Christen. Das ganze wird aus Morganas Sicht erzählt, die das alles schon früh erkannt hat, als sie noch in den Windeln lag.

Und weil Männer so fehlbar sind, hat Merlin das auch gar nicht vorhersehen können. Hätten sie doch mal wen gefragt, der sich damit auskennt ;)

Reaghan hat gesagt…

Mit "Da blickt man ja kaum noch durch!" haben Sie den Kopf auf den Nagel getroffen. Ähhh...andersrum.
Das sind mir Eindeutig. Zu. Viele. Personen.
*rummotz*

Wüstenratte hat gesagt…

Vater Columba erinnert mich da irgendwie an Grampa Simpson in der Folge, in der er in allem und jedem den Tod sah.
„Ahhh! Der Tod!“ – „Aber nein Grampa, das ist die Katze.“
„Achso. ... AAAAHHH! DER TOD!“ – „Nein, das ist ein Stuhl.“


Hihihihi. Genau das hatte ich während des Absatzes im Kopf. Great minds, und so...

Antigone hat gesagt…

Hach, die Nebel....*seufz* Da werden Jugenderinnerungen wach. Was hab ich dieses Buch geliebt! Wieder davon zu lesen, ist wie ein Paar alter, wunderbar ausgelatschter Hauspatschen anzuziehen.

lg, A.

LaLei hat gesagt…

Ich stimme Reaghan zu. Das sind mir zu viele Personen, waaaaaaah.

Anonym hat gesagt…

Hach. Ich mochte das Buch, als ich es gelesen habe, damals™, heiß und innig. Hachja. Ich glaube, ich würde es auch immer noch mögen.

So wild find ich das Christengebashe übrigens gar nicht. Dass da grad zu der Zeit einige Vollholzpfosten umhergelaufen waren und dass sie Die Frau An Sich als Das Böse™ verteufelt haben, war ja tatsächlich so. Stört mich deshalb hier irgendwie Null.

DieJo hat gesagt…

Das stimmt schon, Elveny, aber ob es wirklich so krass war, wie in den typischen "Weibchenbüchern", in denen perfekte Überfrauen ständig verwarnt werden?

Auf der anderen Seite finde ich das Thema interessant. Mir scheint, mit all den Mittelalterweibchenromanen arbeitet die Frauenschaft ein Jahrhunderte altes Trauma auf. Schade nur, dass die Bewegung der Emanzipation genauso unvernünftig ist wie das, was sie an den Männern verteufelt.

Vinni hat gesagt…

Man muß das im Kontext der Zeit sehen - so wie HdR heute die Mutter der Elben-und-Ork-Klischees ist, sind eben Marions Nebel die Mutter der Frauenfantasy. Und natürlich mußte es nach der bis dahin von Männerfantasien beherschten (Massen)Fantasy - ich sag nur Conan und dergleichen, wo Frauen immer nur als nackter Siegespreis vorkamen - erst mal in die andere Richtung pendeln und dann auch übertrieben werden. Also zurücklehnen und genießen *popcorn hol*

Milui hat gesagt…

Iggy! :rofl:

Neyasha hat gesagt…

Ach ja, ich hab die Nebel mit 13 gelesen und fand die da ziemlich toll (von der Tatsache mal abgesehen, dass diese eine grausame Geburtenbeschreibung später im Buch maßgeblich dazu beigetragen hat, dass ich beschlossen hab, keine Kinder zu wollen *grusel*). Na gut, ein paar Längen hatte der Roman für mich schon damals.

Aber als ich ihn dann mit 20 oder so nochmal angefangen hätte, setzte irgendwie der Hohlbein-Effekt ein und ich dachte mir nur "Nein, das kann doch nicht sein, dass du das mal toll gefunden hast!"
Umso mehr amüsiere ich mich jetzt bei der Verkatzung. :-))

Weiß man ja wie das ist, Baby ist da, Baby schreit, man bekommt wenig Schlaf ... da gehen schon mal Sachen verloren. Haustürschlüssel. Fernbedienungen. Zweite Gesichter.

*losprust*

Vinni hat gesagt…

Ich mag die rote Luftmatratze des Glaubens *g*

Ranwen hat gesagt…

Weiß man ja wie das ist, Baby ist da, Baby schreit, man bekommt wenig Schlaf ... da gehen schon mal Sachen verloren. Haustürschlüssel. Fernbedienungen. Zweite Gesichter.

:rofl:

@zu.viele.Personen: das liegt daran, daß wir diesmal keine Dramatis Personae gekriegt haben, wie sonst immer. Mit Bildchen, und so. :nick:

Allerdings hat es bei mir auch eine Weile gedauert, bis ich dieses Weibsvolk auseinander hatte. Vor allem, daß Morgause Iggys jüngere Schwester und Viviane Iggys ältere Schwester ist, Morgaine aber Iggys Kind. Dämlicher Altersunterschied - irgendwas war da, daß Viviane Morgause als Baby gestillt hat, weil die Mutter der ganzen Schwestern gestorben war und Vivianes Kind aber auch, irgend so was. So könnte Viviane vom Alter her Morgauses Mutter sein, ist aber die ältere Schwester. Grah. Kompliziert.

@Charaktere: Ich mochte Taliesin, von Anfang an. Daß er zugibt, daß sie sich damals (tm) geirrt hatten mit den Christen, spricht IMO eher für ihn als gegen ihn. Für mich war er immer einer der größten Sympathen in diesem ganzen Verein.
Mit Viviane konnte ich mich dagegen nie so ganz anfreunden.