Morgaine rechnete nach und erkannte wehmütig, daß ein halbes Leben in Avalon seine letzten Wirkungen verlor. Der Lauf der Gestirne lag ihr nicht mehr im Blut.
Denn morgen ist Sommersonnenwende, Zeit des Erwachens, der fließenden Säfte, Wiedergeburt, Fruchtbarkeit und damit der üblichen Orgien, falls man nicht gerade christlich veranlagt ist.
Wie erwartet hadert Gähne mit sich und dem Schicksal (alles ist grau und unfruchtbar) und auch Uriens kann es ihr nicht recht machen. Erwartet er doch von ihr, sich wie seine Frau und Königin zu verhalten. Wie kann er nur! Weiß er denn nicht, dass Gähne aufgrund übermäßiger spirituell-mühstischer Bedeutung einfach nicht mit dem selben Maß gemessen werden darf wie gewöhnliche Weiber? Tsk, tsk, tsk!
Tja, hätte sie damals etwas gesagt, ne, aber das ging ja nicht, OMG der Skandal. Nun hat sie den Salat, der aber nur ein Salat ist, weil alle anderen so schröcklich doof sind.
Ich meine:
„Du bist eine wunderbare Frau, meine Liebe“, sagte er und reichte ihr den Arm. Gemeinsam verließen sie das Gemach, und Morgaine dachte: Er glaubt, mir damit etwas Freundliches zu sagen.
So ein Depp, fürwahr. So ein gemeiner, fieser Mensch! Echt mal jetzt, was denkt der sich eigentlich? Sie sei eine wunderbare Frau? In den See, in den See, mit einem Konversationslexikon an den Füßen!
Mitten ins idyllische Abendessen platzt Accolon hinein. Der dürfte Gähne bestimmt sagen, dass sie eine wunderbare Frau sei, wollen wir wetten? Immerhin geht sie ihm schon mal entgegen, während der Rest der Familie am Tisch bleibt.
Accolon nahte mich großen Schritten, und sein roter Umhang umwogte ihn wie ein blutroter Strom. „Lady Morgaine“, begrüßte er sie mit einer tiefen Verbeugung, „oder sollte ich ... meine Herrin und Mutter sagen?“
„Bitte nicht“, erwiderte Morgaine gereizt.
Da nun endlich die Gelegenheit da ist, erklärt Gähne ihrem eigentlichen Prinzen erst einmal, dass die Ehe arrangiert wurde (achwas?) und zwar nicht unbedingt auf ihr Betreiben hin. Aci glaubt ihr und ist voll des Mitgefühls. Noch. Doch kaum sitzt er nach allgemeiner Begrüßung am Tisch, fängt Gähne an darüber zu sinnieren, dass er gewiss noch erbost sei und bestimmt dächte, sie sei nur aus Ehrgeiz und Machtwillen bei Uriens gelandet. König ist so unterm Strich natürlich besser als nicht-mal-ältester Königssohn.
Ein paar Seiten lang fühlt sich Gähne dementsprechend alt und häßlich. La-Dih-Dah, hatten wir auch schon lange nicht mehr. Der Rest der Tischgesellschaft unterhält sich derweil über interessantere Themen wie Gwünnys Schwangerschaften, die nichtexistenten.
„Gibt es Anzeichen, daß die Königin ihm einen Erben schenkt?“ erkundigte sich Maline.
„Keine“, antwortete Accolon, „obwohl mir eine ihrer Hofdamen vor dem Turnier erzählte, daß die Königin möglicherweise schwanger sei.“
Maline wandte sich an Morgaine und fragte: „Ihr kanntet Gwenhwyfar gut, nicht wahr, Schwiegermutter?“
„Gewiss“, antwortete Morgaine, „und was dieses Gerücht angeht, nun, Artus' Gemahlin hält sich jedesmal für schwanger, wenn ihre Blutungen auch nur einen Tag später einsetzen.“
Danach geht es sofort wieder um Avalon vs. Christentum. Entsetzlich. Gibt es keine interessanten Drachen mehr? Kuhseuchen? Schafswahnsinn? Hühnerschnupfen? Zweiköpfige Kälber? DAS WETTER? Wandernde Spielleute? Jemand vom Pferd gefallen? Unruhe an irgendwelchen Grenzen? Gibt es denn wirklich, wirklich, wirklich keine anderen Themen?
Uff.
Gerüchteweise büßt Artus übrigens noch immer für eine, hüstel, der Allgemeinheit unbekannte Sünde, hüstelende. An seiner Stelle würde ich mittlerweile sagen „Oh, genug jetzt mit diesem Schwachsinn!“ und ganz normal weitermachen, aber das würde Gwünny wohl nicht gefallen. Weichwurst. Selbst wenn er bis in alle Ewigkeiten büßt, Gwünny wird doch immer wieder einen anderen Grund finden, warum er an der Kinderlosigkeit des Paares Schuld ist. Wenn es nicht die Schwesterbeschälung ist hat er eben ein christliches Banner falsch gehalten oder beim Vaterunser genuschelt. Irgendwas wird sie schon finden.
Weitere Gerüchte:
„Und ich habe gehört, daß ihre Nichte Elaine eine Tochter geboren hat ... oder war das schon im letzten Jahr?“
Achwas? Eine Tochter hat Lähne bekommen? Das wäre ja dann die per Pakt der Gähne für Avalon versprochene Tochter, nicht wahr? Komisch, dass Lähne die gute Gähne nicht sofort pflichtbewußt informiert hat.
Die Tafel wird nach allerlei Themenwiederholungen aufgehoben und Aci kann in einem kurzen, unbeobachteten Moment nicht an sich halten:
„Ihr habt mir euer Wort gegeben!“
Morgaine wußte, daß sie erblaßte. Sie biß sich auf die Lippen und erwiderte hart: „Was geschehen ist, ist geschehen, Accolon.“
Morgaine nahm die Lampe auf und wandte sich zum Gehen. Beinahe drohend rief der Ritter hinter hir her: „Für uns beide ist die Geschichte noch nicht fertig, Herrin!“
Sososososo. Gut. Gehen wir dann mal alle ins Bett, denn morgen ist ein wichtiger Tag.
Der Tag der Sommersonnenwende bricht an und Gähne fällt spontan einige Entscheidungen. Schließlich ist dieser Tag ideal für so etwas geeignet, ist er doch voller tiefer Spiritualität und Gedöns.
Ihre Gedanken in Kürze: Ich bin ja wohl wer, Königin von Nordwales und Herzogin von Cornwall und außerdem aus Avalon! Ja-woll! Also wollen wir doch mal sehen, ob ich nicht doch jetzt noch irgendwas drehen kann! Scheiß auf die ganze Rücksichtnahme, Artus hat sie eh nicht verdient!
Sie wußte selbst noch nicht, was sie vorhatte, wußte aber, daß die Tage der stummen Gefügigkeit vorüber waren.
Die nächsten Seiten möchte ich dann wie folgt zusammenfassen:
Bla bla bla Excalibur, blabla bla Druiden, blabla, bla, Fladenbrot, blabla sülz Wasser, bla di-bla Pferd, Uriens, blabla blabla, wegreiten, blablablubb, heiße Quellen, blabla, wegreiten.
Und weil gerade ohnehin Sommersonnenwende ist und Gähne beschloss, dass jetzt Schluss mit brav und lustig sei und weil Aci eh gerade in der Gegend und ein Avalonanhänger ist, ja, deswegen ehren die beiden nun die Göttin auf die gute, alte Avalonweise. Natürlich nicht gleich am Feldrand, da könnten die ganzen anderen Leute drumherum etwas komisch gucken, ne, Christen, prüder Haufen, allesamt. Aber am Abend, in intimer Privatsphäre, da wird dann gemeinsam ein wenig der alten Religion gefrönt.
Der Ritter [Anm. d. Katz: Accolon] sah sie voll ehrfürchtiger Bewunderung an. Sie hatte diesen Gesichtsausdruck früher schon gesehen, wenn sie die Nebel von Avalon rief ... und das Bewußtsein der Macht überflutete Morgaine, als sei sie plötzlich wiedergeboren.
Ich lebe wieder. Nach all diesen Jahren bin ich wieder Priesterin ...
Gähne hat auch immerhin drei Zeilen lang Gewissensbisse, mit ihrem angeheirateten Sohn zu, äh, beten. Aber eh. Würde ohnehin nur die verkrampften Christen interessieren und was ficht sie das jetzt noch an, nachdem sie per Eigenbeschluss jetzt neu erleuchtet und ausgerichtet ist? Richtig, gar nicht. FÜR DIE GÖTTIN!
Den Rest des Kapitels erzählt die Zukunftsgähne dem interessieren Leser wieder in einem Meer von Kursiv.
Selbst in dieser Mittsommernacht, als wir unter den Sternen beisammen lagen, wußte ich, daß mich weniger die Liebe leitete, als die leidenschaftliche Macht zur magischen Handlung.
Accolons Hände, die Berührung seines Körpers, weihten mich erneut zur Priesterin, und es geschah nach dem Willen der Göttin.
Naturalmente, denn jeder Pups muss spirituell motiviert sein. Jeder Blick, jede Bewegung, jede Gasentwicklung muss immer in Verbindung zum Univerum und der Göttin betrachtet und rituell umgesetzt werden. Un-be-dingt!
Gähne geht dann auch in ihr Zimmer um das Kräutermesserchen zu holen und es sich hochsymbolisch wieder an den Gürtel zu hängen; als Zeichen, dass sie nun wieder voll im göttinnenlichen Rhythmus aller Universen schwingt.
Auch die Kraftlinien des Landes sucht sie von nun an regelmäßig auf und wird sich der Anwesenheit des kleinen Volkes erneut bewußt und versucht, Kontakt aufzunehmen. Wie das halt so ist: normale Leute gehen raus und füttern Enten, Gähne geht raus und füttert das alte Volk, was, anders als das Entenfüttern, ebenfalls universelle Bedeutung hat.
[S]ie waren da. Ich wußte, sie würden bei mir sein, wenn ich sie brauchte. Nicht umsonst hatte man mir diesen alten Namen gegeben: Morgaine, die Fee ... und jetzt erkannten sie mich an als ihre Priesterin und ihre Königin.
Deswegen funktioniert das mit Enten auch nicht, die haben weder Priesterinnen noch Königinnen. Die freuen sich einfach nur.
... aber, ernsthaft? Brot, Käse, Butter und schon ist man die Königin des kleinen Volkes? Die sind ganz schön leicht zu beeindrucken, huh?
Nach einer Weile mit regelmäßigem Gähne-Essen-auf-Latschen schenken die kleinen Leute Gähne dann winzige Pilze, mit denen man vortrefflich hallu... äh, das Gesicht rufen kann.
Ich wußte jetzt, was ich zu tun hatte: Ich würd emich in der Nacht der Wintersonnenwende in mein Gemach zurückziehen und dort das Gesicht wieder beschwören, dem ich mich verschlossen hatte. Auch wenn die Pforten zur Vision mir wieder offenstanden, konnte ich es wagen, die Göttin anzurufen, ihre Gegenwart beschwören und darum bitten, mir wieder den Segen zu erteilen, den ich verschmäht hatte. [...]
In tiefer Dankbarkeit kniete ich nieder und wußte, daß mein Beten erhört, mein Frevel gesühnt war.
Äh. Inwiefern unterscheidet sich der letzte Satz eigentlich von etwas, was Ultrachristengwünny so von sich geben würde? Gar nicht?
Pfht. Das Buch hätte ohne Weiteres auch „Schuld und Sühne“ heißen können, denn um etwas anderes geht es ja auf beiden, angeblich so unterschiedlichen Seiten ja kaum.