Eines Tages wird sie zu ihrer Tante gerufen. Damit der Leser dann auch was davon hat, betrachtet Viv ihre Gähne erst einmal ausführlich, inklusive Erkenntnis, dass sie nicht schön ist. Was aber egal ist, denn:
Denn jeder, der dich kennt, wird doch für eine große Schönheit halten, wann immer du dafür gehalten werden willst.
Na, das ist doch erfreulich. Außerdem kontempliert Vivi noch ein wenig darüber, dass Gähne ihr ja gar so ähnlich ist, obwohl Iggy (Gähnes Mutter und Vivis Schwester, ne?) doch so eine beneidenswerte Schönheit mit heller Haut und rötlichem Haar war.
Ja, Genetik ist schon so eine Sache. Wenn sie will, kommt sie ganz unerwartet aus dem Busch gesprungen und tritt einem in den Hintern.
Jedenfalls hat Vivis geistig-müsthisches Frühwarnsystem angeschlagen: ihr Sohn Galahad kommt zu Besuch und Gähne möge ihn doch bitte vom Ufer abholen. Die kennt den jüngsten Sohn Vivis noch als kleinen, tappischen Prä-Teenager und hat erst mal nix dagegen.
Am anderen Ufer angekommen allerdings muss sie, huiuiui, feststellen, dass sich der gute Galahad gewaltig gemacht hat.
Der Reiter war feingliedrig, mit einem hübschen dunklen, scharf geschnittenen Gesicht, das durch die rote Kappe mit der Adlerfeder im Band und den weiten roten Umhang, der ihm anmutig über Schultern fiel, noch betont wurde. Er saß ab; die natürliche Anmut seiner Bewegungen – die Anmut eines Tänzers – nahm ihr den Atem.
Sososo. Ick höre nicht nur die Nachtigall trapsen, ick höre die Hormone tanzen, und es ist kein braver Gesellschaftstanz!
Für Gähne, die bislang voll im Avalon-Sud schwamm und nichts als „Männer sind Gebrauchsgegenstände“ sowie „Göttin hier, Göttin da, Göttin überall, hurra!“ gelernt hat, eine ungewohnte Situation.
Erschrocken stellte Morgaine fest, daß sie zum ersten Mal in ihrem Leben einen Mann mit Verlangen ansah.
Ja, kannste mal sehen. Da ist man so 19 Jahre alt, denkt, man kennt und weiß alles, und dann sowas! Bringt die ganze Lebensplanung durcheinander, eh?
So fahrn sie übern See, übern See, so fahrn sie übern See ... und zuerst erkennt Galahad Gähne nicht, dann doch, die versucht ständig, gelassen und müstheriös zu bleiben, während ihre country affairs zweifelsohne eine schlimme Regenzeit erleben (soll ja aber gut für die Ernte sein, ne?).
Sie schippern durch den Nebel und ständig fühlt sie seine Nähe, weiß, wie sich seine Haut auf ihrer anfühlen würde, fühlt ihre jungfräulichen Kniechen wackeln und will inbrünstig, dass er sie auch ohne diesen speziellen Priesterinnenzauber schön findet. Und bla, und Teenagerkeks und Drama.
Oh, da fällt mir ein, ich muss noch das Brot aus dem Tiefkühlfach holen. Gleich wieder da.
[...]
Sie unterhalten sich ein bisschen. Galahad hat die Steigbügel aus dem Land der Skythen geholt und will sie wohl jetzt unter seinesgleichen verteilen. Schick.
Das sich daran anschließende Frühstück mit Mutti verläuft allerdings nicht ganz so schick. Mutti Vivi will nämlich, dass Sohnemann ein Druide wird, während Galahad, oder Lanzelot, wie er jetzt genannt werden will, eher so ein bisschen zur kriegerischen Profession neigt.
Tatsächlich darf er die sinnvollsten Sätze sagen, die im Laufe dieses Buches bislang geäußert wurden. Er, ein Mann! :-o
„Euch wäre also lieber, ich säße still in Avalon und würde die Harfe spielen, während draußen in der wirklichen Welt der Kampf auf Leben und Tod entbrennt, Herrin?“
Vivi wird stinkig und versucht ihn umzustimmen, was aber nicht klappt und sie noch zusätzlich fuchsteufelswild macht.
Und genau hier frage ich mich, wie eine so labil wirkende Frau ständig als die Weiseste aller Weisen und die Wissendste aller Wisente dargestellt wird. Aber kaum will mal einer nicht so, wie sie sich das denkt, schon explodiert sie unbeherrscht wie ein Vulkan.
Morgaine erschrank, als sie sah, wie Viviane vor Zorn leichenblaß wurde. [...] „Ihr widersetzt euch der Herrin von Avalon, Galahad vom See?“
[...]
„Bist du etwa ein Christ geworden?“ fragte Viviane glühend vor Zorn.
Ja, wirklich unglaublich. Wie kann er es wagen. In den See, in den See, mit einem Gewicht an den Füßen!
Vivi merkt bald, dass ihr Sohn keines der bewundernden Schäfchen ist, die sie sonst umgeben, und sie so nicht weiterkommt. Also reißt sie sich mühsam zusammen und nur Gähne erkennt, dass sie wütender denn je ist.
Aber so bringt sie Galalot ganz raffiniert noch dazu, das Abendessen mit dem Merlin einzunehmen.
Hmmm. Ich würde vermuten, dass da was im Busch ist, und es ist kein Osterei.
Bis es soweit ist, verbringen Gähne und Lotti aber noch den Tag miteinander. Sie klettern auf Berge, wobei Gähne ihren Rock zwecks besserem Klettern bis zu den Knien schürzt, sie unterhalten sich über allerlei müsthische Dinge, die ich euch jetzt und hier erspare. Sie liegen auf der Erde und lassen sich mit Kraft erfüllen, gehen zum See und erlegen ein paar unschuldige Entchen, was ich zutiefst mißbillige, und schließlich kuscheln und knutschen sie sogar ein bisschen, als ...
„Jemand weint“, sagte Lancelot und stand auf. „Dort drüben.“
Schon wieder die Nachtigall. Und sie trappst ziemlich laut.
Das Mädchen war sehr jung und von entzückender Schönheit. Es schien nur golden und weiß zu sein; die blasse Haut wirkte wie Elfenbein mit einem Anflug von rosa; die Augen waren von hellstem Himmelblau, und die langen blonden Haare schimmerten im Nebel wie reines Gold. Es trug ein weißes Kleidchen und mühte sich vergeblich, es nicht naß werden zu lassen.
Ihr Lieben, ich darf euch die schnuckelige Gwenhwyfar vorstellen. Lancelot ist sofort bis über beide Ohren und alle Lanzen verliebt. Gwenny hingegen ist mit der momentanen Situation leicht überfordert, wenn man sich ihre Konversation mit Gähne so ansieht.
„Ihr könnt kein Dämon sein, dann Ihr verschwindet nicht, wenn ich das Kreuz schlage. [...] Aber ihr seid klein und häßlich wie die Feen ...“
Mei, was für ein charmantes Mädel. Stört Lancelot, der mittlerweile wohl nur noch mit seinem downstairs brain denkt, aber nicht die Bohne. Gähne hingegen ist, wer wollte es ihr verdenken, enorm verstimmt. Gerade noch wollten sie und Lancelot ein paar Dinge ausdiskutieren, da kommt auf einmal dieser greinende rosa Goldlockenengel vorbei und ebenso vorbei ist es mit Lottis Aufmerksamkeit. Super.
Trotzdem bringt sie Gwenni, die zufällig durch eine dünne Stelle des Nebels aus ihrer Klosterschulenwelt nach Avalon gerutscht ist, zurück auf die normale Insel der Mönche. Auf dem Weg muss Gwenni natürlich nochmal erwähnen, wie hässlich Gähne doch ist, damit es der Leser auch ja mitbekommt.
Sie hörte, wie Gwenhwyfar [Lancelot] mit mädchenzarter Stimme fragte: „Aber Ihr, Ihr gehört doch nicht an diesen schlimmen Ort, nicht wahr? Denn Ihr seid nicht klein und häßlich wie diese aus dem Volk der Feen ...“
Meine Herren. Heute war Hirn schon aus, wa?
Lotti und Gähne bringen den Rauschgoldengel mit den nassen Füßchen also zurück und zum Abschied webt Gähne noch schnell den Majestäts-Zauber um sich, damit sie groß und eindrucksvoll erscheint.
Das verwirrt Lancelot.
Wie hast Du das gemacht, Morgaine?“
„Wie habe ich was gemacht?“ fragte sie zurück.
„Plötzlich wirktest du so ... so ... wie meine Mutter. Groß, kühl und entrückt und ... nicht ganz wirklich. Wie ein Dämon. Du hast dem armen Mädchen Furcht eingejagt. Das hättest du nicht tun sollen!“
Gähne, hau ihm eine rein. Bitte.
Doch nein, Gähne ist ja eine Priesterin und Stellvertreterin der Göttin (welcher? Valiumba?), da reißt man sich zusammen und wird höchstens kryptisch.
„Vetter, ich bin, was ich bin.“
Du darfst.
Auf dem Rückweg fühlt sie sich dann nicht so gut und schreitet ein wenig schneller aus, als Lotti hinterherkommen kann.
[A]ber es kümmerte sie nicht. Von hier aus konnte er den Weg selbst finden.
Ja, echt jetzt.
Arsch.