Vivi liegt im Bett und zerfließt in Selbstmitleid.
War sie wirklich machthungrig und glaubte, alles stünde unter ihrem Befehl, damit sie nach Gutdünken damit spielen konnte?
Was habe ich denn getan? dachte sie. Ich habe dieses Land vor Raub und Zerstörung gerettet. Ich habe es davor bewahrt, in das Vorzeitige zurückzufallen [...].
Eine Runde Mitleid mit Geigenmusik bitte. Ja, die arme Vivi. Sie tut doch nur, was getan werden muss, und keiner versteht sie! Nicht mal Gähne und Hörni, dabei hatte sie da nun wirklich keine andere Wahl!
Das königliche Geschlecht von Avalon durfte nicht durch das Blut einer Geringeren entehrt werden.
Genau! Wo kommen wir denn da hin, wenn da nur eine pupsgewöhnliche heilige Priesterin die Göttin gespielt hätte! Hätte Hörni bestimmt gemerkt und sich geweigert, jawohl! Auch junge Königgötter im Aphrodisiakarausch, die auf ihre erste Frau hinfiebern, wissen schließlich was sich gehört.
Im Morgengrauen schleicht Vivi an ihren Wach-Oompa-Loompas vorbei und lustwandelt ein wenig im Garten herum, um still Zwiesprache mit der Göttin zu halten. Wenn wir uns Vivis Selbstverständnis ins Gedächtnis rufen könnte man also durchaus sagen, dass sie Selbstgespräche führt.
Ich bin alt; manchmal versagt sich mir sogar das Gesicht ... das Gesicht, das mir gegeben ist, um dieses Land zu lenken.
Ah. Sie soll also das Land lenken, das und nicht weniger ist ihre Bestimmung; wenn ihr aber vorgeworfen wird, sie glaube, alles nach ihrem Gutdünken durch die Gegend marionetten zu dürfen, dann ist sie zutiefst erschüttert und verkriecht sich unter ihrer Bettdecke?
Wir sind uns selbst gegenüber so ein bisschen scheuklappisch, huh?
Sie wandelt weiter und dreht dabei das Gefüge der Macht (über geringere Dinge lohnt es sich ja nicht nachzudenken) im Kopf herum. Erwägt Alternativen, muss aber einsehen, dass außer Gähne niemand da ist, der ihren, Vivis, Platz einnehmen kann. Raven hat sich ja nun der heiligen Version von „Dann sag ich eben gar nichts mehr!“ verschrieben und die restlichen Statisten in der hochheiligen Priesterinnenschaft haben noch nicht einmal Namen, sind also völlig ungeeignet für eine Führungsposition.
Doch lange kann unsere Schicksalslenkerin nicht kontemplieren, denn der Himmel hat eine Eilmeldung für sie: rote Wolken bilden einen Drachen am Himmel (das Zeichen Uthers, wir erinnern uns) und dann fällt eine Sternschnuppe hindurch und der wolkige Drache ist, *puff*, verschwunden.
Sieht so aus, als wäre Uther endlich wieder in den ewigen Schmelztiegel der Mehrmalsgeborenen zurückgekehrt. Der Mehrmalgeborenen? Jawoll! Er nämlich auch! Was Vivi, potzblitz und ei der Daus, aber selbst nicht weiß. Sie sieht nur, dass Uther plötzlich vor ihr steht, so als Übergangstodesvision. Die Abschiedsvorstellung quasi.
Uther erzählt ihr, dass er sich nochmal aufs Schlachtfeld hat tragen lassen, dort den Anführer der feindlichen Frechlinge erlegte, so seinen Männern Mut gab und auf diese Weise ehrenvoll seinen Atem aushauchen konnte, jawollja!
Vivi: „Und wegen dieser Herumhelderei hast Du Artus nicht offiziell Dein Amt übergeben können! Moaaaaah!“
Uther: „Ach, der schlägt einfach die nächste Schlacht, dann passt das schon.“
Vivi: „Nicht, dass er das Blute Pendragons (oder irgendwelche der anderen Körperflüssigkeiten Pendragons) brauchen würde! Er ist ein Ableger Avalons!“
Uther: „Pfht, das wird ihm bei den heidnischen Königen wenig bringen, simmer mal ehrlich. Ich geh' dann mal. Gehabt euch wohl.“
Und während er verblasst, verwandelt er sich nochmal kurz in einen ganz anderen Mann. Den Mann, den Vivi schon seit Äonen in allen Inkarnationen liebt, weswegen sie in diesem Leben auch keinen Mann wirklich lieben konnte, und dann haben die beiden sich doch glatt nicht erkannt und jetzt isses zu spät!
Ich bin zutiefst ergriffen.
... oh, nein. Wartet. Doch nicht.
Wahrscheinlich entwickelt mein braves, Dr. Kawashimas Gehirnjogging-geplagtes Hirn gerade eine Resistenz gegen diese ganze Überdosis Mystizismus-Mist. Können die nicht mal auf einen Grashalm treten, ohne vorher eine dreistündige rituelle Ritualfeier abzuhalten? Anbetung der Göttin, Schwenken der heiligen Paraphernalien, mindestens fünf Visionen, davon eine von Atlantis, dem kleinen Volk und etlichen früheren Leben, und wenn dann ein Käuzchen dreimal schreit, der Hirsch röhrt und der heilige See gluckert, dann darf man auf den Grashalm treten. Oder sich die Zähne putzen.
Gut, das Buch ist aaaaaaalt, so aaaaaaaalt wie Vivi, da wirkten diese Themen vielleicht nicht so abgelutscht und fatigant. Durchaus möglich. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Überfülle an heiligem Hin und Her nicht auch damals schon zu penetrant wirkte.
Aber gut. Machen wir weiter, vielleicht normalisiert es sich ja noch, wenn das Hauptaugenmerk auf dem unmystischen Artus und der ganz und gar unheiligen Gwünni liegt. Noch sind wir ja in Avalon und was macht man so, wenn man gerade eine Vision hatte?
Richtig, man geht zu heiligen See und visioniert noch ein wenig weiter.
Ein wirres Konglomerat an Bildern später ist Vivi auch nicht klüger und beschließt, dass jetzt Handeln angesagt ist. Schnell flitzt sie hinunter zu ihrem Haus.
„Kleidet mich an“, sagte sie knapp, „und laßt den Merlin rufen. Er muß nach Caerleonreiten und Artus zu mir bringen, ehe der neue Mond älter ist als ein Tag. Es ist keine Zeit zu verlieren.“
Ach, naja. Ich sehe das ja gelassen. Für eine ordentliche Vision über Atlantis ist immer Zeit.
12 Kommentare:
Er muß nach Caerleon reiten
Da gibt's römische Backöfen! :D
[...]
Sorry, diplomarbeitsgeschädigt. :ugly:
Wieso Sorry? Das ist doch mal ne schöne, handfeste Information, so zur Abwechslung. :D
Ist Vivi eigentlich mit Marthe verwandt? So wegen "kein Kapitel ohne Vision"?
Hm, "kein Kapitel ohne Vision"? Kommt mir fast vor wie "keine 2 Seiten ohne Vision". *gnnn*
Allmählich freu ich mich dann doch auf die nervig-dumme Gwynni.
Die aber alle zwei Seiten lang von der Bestimmung Gottes erzählt und in Selbstmitleid badet. Ist das besser?
Lancelot ist da .. handfester. Lenden-Lancelot. Passt doch.
"Da gibt's römische Backöfen! :D "
Und ein tolles Amphitheater. Vergiß das Amphitheater nicht! *g*
Und ich dachte Iggy und Uther hätten sich schon als Liebespaar über sämtliche Inkarnationen erkannt...?
Richtig. :nick:
UND Vivi. Wer auch immer der ständig Wiedergeborene ist, er muss ein lebhaftes Leben führen. *augenbrauenwackel*
Hey, wenn ihr mal richtig nervige Visionen wollt, dann müßt ihr von Karl May "Am Jenseits" lesen. Alle 5 Seiten eine mehrseitige Vision vom Jüngsten Gericht. Das ging mir selbst mit 13 auf die Nerven, als ich die Nebel noch gar nciht so schlimm fand.
Aber Frau Katz, wäre Karl May nicht auch mal was für eine ordentlcihe Verkatzung? Ich kenne zumindest eine weitere Leserin hier, die da sicher Interesse hätte. *g*
Shay, das Thema ist schon durch. *g* Ich hab es schon versucht und FrauKatz hat es mit nachvollziehbaren Argumenten abgeschmettert *g*
>>Gefüge der Macht<<
Es ist definitiv noch zu früh am morgen, ich las gerade "das Geflügel der Macht." :ugly:
Echt, ich habe Karl May mal verworfen? :kopfkratz:
Kein Wunder, dass ich mein persönliches Gedächtnisschaf brauche, das mich immer daran erinnert, was ich mal so von mir gab. :ugly:
@Sakura
Achwas, das Geflügel der Macht läuft da bestimmt auch irgendwo herum. In Avalon gibt es schließlich nichts, was nicht irgendwie, irgendwo heilig oder müstisch oder zumindest wiedergeboren wäre.
*lach* FrauKatz hat's vergessen? Dann bitte ich handwedelnd um Vergessen der Erinnerung und stelle mich mit Shay in die Schlange der "Warum nicht Karl May"-Frager *g*
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