... ich kann nicht anfangen. Die Katze sitzt auf dem Buch.
[Stunden später]
So, jetzt aber. Chris sitzt im Kerker und will nicht raus, weil es für die gesamte Menschheit oder zumindest die Bevölkerung der Mark Meißen von Vorteil wäre, wenn Albrecht als Arsch enttarnt wird, bevor Otto ihm den Thron überlässt.
Steigen wir am Vorabend ein. Marthe ist im Kerker und nimmt Abschied.
Alles andere las sie in seinen Augen, in seinem letzten Blick für sie: seine Liebe und die Bitte, morgen stark zu bleiben, seinen Abschiedsgruß.
Noch einmal nahm sie seinen Anblick in sich auf – in Ketten, aber voll innerer Stärke angesichts des möglichen Todes.
„Gott schütze dich", sagte sie.
„Gott schütze dich und unsere Kinder", antwortete er.
Sie durfte nicht vor seinen Augen weinen. Also stieg sie mit langsamen, bedächtigen Bewegungen nach oben und ließ sich von Hartmut zurück in ihre Kammer bringen.
Der nächste Tag.
Noch nie hatten sich so viele Menschen auf dem Burghof eingefunden wie an jenem Morgen, als Albrecht über Christian Gericht halten wollte.
Nicht nur die ersten Siedler und viele Bewohner des Handwerkerviertels waren gekommen, sondern diesmal auch etliche Bergleute, die vom Bergmeister und den Obersteigern angeführt wurden. Albrecht hatte den Hof mit schwerbewaffneten Männern umstellen lassen. Er befürchtete einen Aufruhr oder aber einen Befreiungsversuch durch Christians Anhänger.
[...] Diesmal hatte Albrecht keine Werkzeuge auf dem Richtblock auslegen lassen, sondern seinen stärksten Mann danebengestellt, der ein blankes Schwert vor sich hielt, die Spitze leicht auf den Boden gesetzt.
Sosehr sich Marthe auch zwang, den Blick von Block und Schwert abzuwenden, sie konnte das Grauen nicht bezwingen. Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nehmen sollte, das zu tun, was Christian von ihr erwartete und verlangte.
Albrecht tüddelt dann noch ein wenig herum, isst in aller Ruhe sein Frühstück und lässt die Leute warten, weil er es kann. Die Menge, per se immer sehr ungeduldig, fängt dann schon mal an herumzurufen, Chris möge freigelassen werden. Albi wird gemeldet, dass die Lage ... ungünstig wird.
Ein Hornsignal kündigte das Erscheinen des selbsternannten Markgrafen an. Diesmal kniete die Menschenmenge nur widerwillig vor ihn nieder, nachdem die Ersten mit Hieben von den Wachen dazu gezwungen wurden.
Albrecht tat, als ob er dies nicht bemerke, doch Marthe konnte erkennen, dass er seinen Zorn nur mühsam beherrschte.
„Der Verräter soll vorgeführt werden", befahl er.
Elmar persönlich war es, der Christian mit vorgehaltenem Schwert zwang, auf das Podest zu steigen. Der Triumph in seinem Gesichtszügen war unübersehbar.
Doch niemand von den Dorfbewohnern schien ihn zu beachten, weil sich alle Blicke auf Christian richteten. Da stand er, so wie sie ihn kannten, aufrecht und würdevoll. Nur trug er diesmal kein Schwert am Gürtel, sondern Ketten an Händen und Füßen.
„Der Gefangene kommt reichlich stolz daher!", rief Albrecht abfällig in die Menge, um sich dann an Pater Sebastian zu wenden. „Und ist Stolz nicht eine Todsünde, Pater?"
Mit gewichtiger Miene bejahte der Geistliche.
Vergeblich versuchte Marthe, einen Blick von Christian aufzufangen. Aber er drehte sich nicht zu ihr um, sondern sah auf die Menschen vor sich, die ihrerseits kein Auge von ihm ließen. Es war wie ein wortloses Bündnis, eine Übereinkunft, an dem festzuhalten, was sie sich für ihr Dorf erträumt hatten.
Albrecht verliest nun die lächerliche Anklage und verkündet, dass es dafür nur eine Strafe gäbe, den Tod.
Die Menge ist bemerkenswert unamüsiert.
Albrecht spielt noch ein bisschen herum, meint, dass er ja Gnade walten lassen würde, wenn Chris aufrichtige Reue zeige und ihm fürdem völlige Ergebenheit schwören würde.
Christian trat einen halben Schritt vor, wobei die Ketten klirrten. Er sah alle Blicke auf sich gerichtet.
„Es war richtig, die Burg als Zuflucht für die Dorfbewohner zu nutzen. Gott ist mein Zeuge – sonst hätte es noch viel mehr Tote gegeben. [...] Aber über mich richten kann nur das Landding."
Elmar stieß ihm seinen Schwertknauf in den Rücken, dass Christian in die Knie sackte, sich jedoch sofort wieder erhob.
[...]
„Ihr handelt gegen geltendes Recht. Ihr seid es, der den Lehnseid bricht(sic), den Eid eines Herrschers, seine Untertanen zu schützen", rief Christian.
„Unbelehrbar!", schnaubte Albrecht wütend in die Menschenmenge.
Dann versucht er, Marthe zum Einknicken zu bewegen und für Chris um Gnade zu flehen, doch sie bleibt stumm. Bald schon treten stattdessen Lukas und andere, bewährte Ritter der Mark Meißen vor, um für Chris zu sprechen, ebenfalls Bergmeister Hermann. Albrecht merkt, dass die Stimmung immer mehr gegen ihn kippt.
„Mir fehlen Worte ehrlicher Reue. Euer stolzer Freund und sein Weib sollen mir zu Füßen fallen und mich um Gnade bitten", forderte Albrecht. „Unter Tränen!"
Christian bedeutete Marthe mit einem Blick, an ihrem Platz zu verharren. Lähmende Stille legte sich über den Burghof. Marthe wagte es nicht, die Augen von Christian abzuwenden.
So bemerkte sie nicht, wie Elmar ein verstohlenes Zeichen gab, und sah den ersten Pfeil nicht kommen. Aber noch bevor er sein Ziel erreichte, durchfuhr sie tödliches Grauen.
Und dann, wie in einem Alptraum, sah sie Christian in die Knie sacken. Zwei Pfeile ragten aus seiner Brust, einer war durch seinen Hals gefahren. Sie sah seine Augen brechen, bevor er zu Boden schlug. Mit einem markerschütternden Schrei stürzte sie auf den Leichnam ihres Mannes zu.
Von Entsetzen gelähmt, starrten die Menschen auf ihren ermordeten Anführer. Dann schrien auch die Ersten von ihnen auf.
Lukas hatte sich nach einem schreckensweiten Blick auf Marthe hastig in die Richtung umgedreht, aus der die Pfeile abgeschossen worden waren, zog sein Schwert und bahnte sich mit Raimund und Friedmar einen Weg durch die Menge, die sofort eine Gasse für die drei Ritter bildete.
Jakob, dem Lukas einen Befehl zugerufen hatte, stellte sich mit gezogenem Schwert schützend vor Marthe, die fassungslos vor Schmerz über Christians Leichnam lag.
Mit tränenverschwommenem Blick starrte sie auf sein gelassenes, friedliches Gesicht. Nur seine Augen, die ins Nichts starrten, kündeten von seinem Tod. Einer der Pfeile musste sein Herz direkt durchbohrt haben.
Sie strich über Christians Lider, um sie zu schließen, dann wollte jemand sie von dem Leichnam wegzerren. Doch erst die fremde Berührung, die rohe Geste war es, die sie wieder zu Bewusstsein brachte.
„Mörder!", schrie sie Albrecht an und richtete sich auf. „Ihr habt den Befehl dazu gegeben!"
Auf dem Burghof mehrten sich die Schreie, ein Tumult drohte auszubrechen.
„Schafft mir sofort das Weibsbild vom Hals!", brüllte Albrecht seinen Wachen zu.
Marthe wird weggeschleppt, Lukas erwischt einen der „Attentäter" und Albrecht tut so, als habe er von nichts gewusst. Bevor Chris am nächsten Tag beerdigt wird, lässt Albi Marthe noch mitteilen, dass sie drei Tage hätte, die Burg zu verlassen.
Chris wird, im blutigen, von Pfeilen durchbohrten Bliaut unter Anteilnahme der gesamten Dorfbevölkerung beerdigt. Farewell, dear friend. Auch wenn Du im zweiten Band schon nicht mehr so ganz der Chris des ersten Bandes warst, so ein bisschen doof ist Dein Dahinscheiden trotz aller Helden- und Ehrenhaftigkeit doch.
:salutier: