Montag, 1. Februar 2010

Mammutjäger – III

Wir haben Nachmittag und Ayla kümmert sich erst einmal um die Körperpflege der Pferde. Sit mens sana, auch das wurde offensichtlich von Ayla erfunden und der olle Juvenal hat das nur nachgeplappert! Ha! Aber wir wissen Bescheid.

Am Abend gibt es lecker Abendessen, der Stamm gibt sich locker, und doch herrscht eine unterschwellige Spannung. Schließlich gibt der Mamut das Zeichen und flugs versammelt sich alles um das Herdfeuer des Mammut: Märchenstunde!

Zuerst wird ein wenig getrommelt, wegen der Atmosphäre und so. Im Anschluss werden die neuesten Stammesnachrichten verlesen, „... ja, und Deegie und Branag werden dann demnächst zusammengegeben, ne, und dann ...“, bevor endlich der Teil des Abends beginnt, auf den alle warten.

Jodelkarl darf als Erster. Er erklärt, wo sein Stamm, die Zelandonii, so haust, warum und dass er mit seinem Bruder Thonolan auf Wanderschaft ging, dass Thoni sich verliebte, sie aber dann starb, alle furchtbar traurig waren und dann, ja, dann wurden Thoni und Karl von einem Höhlenlöwen angegriffen.

„Und was geschah?“ fragte Danug.

„Den Rest wird Ayla euch erzählen müssen. Danach erinnere ich mich an das meiste nicht mehr.“

Aller Augen wandten sich ihr zu. Ayla war wie vor den Kopf geschlagen. Das hatte sie nicht erwartet; noch nie hatte sie zu so vielen Menschen gesprochen.

Aufmunternd lächelte Jondalar ihr zu.


Ähja. Einerseits geht er fast ein vor Furcht, dass Ayla von ihrer Zeit beim Flachschädel-Clan erzählen könnte, andererseits schubst er sie quasi hinterrücks und unangemeldet ins Rampenlicht?

Rrrrrrright, Karli. Guuuter Schachzug.

Gut, Ayla beginnt zu erzählen, nachdem alle um sie herum gradezu vor Spannung sterben. Sie sei mit Winnie unterwegs gewesen, als sie einen Löwen brüllen und Menschen schreien hörte. Dank ihres überragendes Gehörs erkannte sie stehenden Fußes, dass das ihr als kleines Beebikätzchen gefundenes und eigenhändig aufgezogenes Höhlenlöwchen „Baby“ ist und weiß, ihr und dem Pferd wird nichts passieren.

Nichtbegreifen malte sich auf den Gesichern um sie herum. Verwirrung.


Jaaaaa. Da guckt ihr, ne? Ayla zähmt nicht nur Pferde, nein, auch Höhlenlöwen. Die sind ja auch sehr flauschig und kuschelig.

Gut, das ist für die versammelte Crème de la Crème der Steinzeit nun echt schwer zu schlucken. Pferde, meinetwegen. Aber Höhlenlöwen?
Frebec, der olle Querulant und Streithammel, fährt Ayla auch gleich über den Mund und zweifelt ihre Geschichte an.

„Du hast mit einem Löwen zusammengelebt? Das glaube ich dir nicht“, erklärte er höhnisch.

„Du glaubst es nicht?“ sagte Jondalar, und es hörte sich an, als wäre er zornig.


Echt mal jetzt! Einfach Ayla der Lüge zu bezichtigen, ich glaube, es geht los hier!
Jondalar wird das regeln, wie das ein ordentlicher Mann nun mal regeln muss:

Er steht auf und lässt die Hosen herunter!

... um die Narben vom Der-wollte-nur-spielen zu zeigen natürlich.

„Dieser Löwe hat mich angefallen, und Ayla hat nicht nur fertiggebracht, dass er von mir abließ – sie ist auch noch eine große Heilkundige. Ohne sie wäre ich meinem Bruder in die nächste Welt gefolgt.“


Tulie, des Bärenbarts Schwester, schilt Frebec daraufhin aufgrund seiner Aufmüpfig- und Unhöflichkeit, während Ayla verwirrt ist. In ihrer Unschuld weiß sie nämlich nicht, was „lügen“ bedeutet.

Es herrscht ein wenig Mißstimmung, doch Talut Bärenbart ergreift die Initiative, dankt Jondalar für die gute Geschichte und fragt, ob die geehrten Gäste nicht vielleicht eine andere Geschichte über eine große Reise hören möchten? Das wäre Ranecs Geschichte.

Ayla ist gespannt, wie der Mann mit der braunen Haut ins Löwenlager kam und die Stimmung hebt sich wieder.

Wir machen es an dieser Stelle kurz: Wymez, Ranecs Vater, ist auf seinen Reisen auch dahin gekommen, wo lauter sehr dunkelhäutige Menschen leben, er verliebte sich, Ranec wurde geboren. Es kam zu Unruhen in der Gegend, nur er und sein Sohn überlebten. So zog Wymez zurück zum Löwenlager, mit seinem kleinen Sohn, und Nezzie, Talut Bärenbarts Frau, kümmerte sich um den kleinen Kerl.

Nezzie ist auch die Frau, die sich um das Kind gemischter Geister, Rydag, kümmert. Sie scheint eine sehr mütterliche Ader zu haben. *beiläufig erwähn*

Jondalar greift das Thema auf, auch weil er vermutet, dass Ayla sehr daran interessiert sein wird.

„Nezzie, würdest du uns von Rydag erzählen? Ich glaube, das würde Ayla ganz besonders interessieren – und mich auch.“


Nezzie erzählt. Von einer Hirschjagd, während der sich eine schwangere Flachschädelfrau in der Nähe des Lagers herumdrückte. Nach ein paar Tagen scheint es Nezzie, als wäre sie in den Wehen, und sie schafft es, die fremde Frau heranzuwinken und ihr bei der Geburt zu helfen.

„Überrascht stellte ich fest, daß das Kind von gemischten Geistern war. Selbst dem Neugeborenen konnte man schon ansehen, daß es anders war.“


Bei der Geburt verlor die Neanderthalerin sehr viel Blut und starb noch vor Morgengrauen. Nezzie, die ohnehin grade ihr eigenes Kind stillte, nahm Rydag an Kindes statt an.

„Manche Leute sagen, er sei ein Tier, weil er nicht sprechen kann, aber ich weiß, er versteht. Und ein 'Scheusal' ist er auch nicht“, fügte sie mit einem zornigen Blick auf Frebec noch hinzu.


Ayla ist zu Tränen gerührt. Zum einen, weil sie selbst einen Sohn gemischter Geister hat, zum Anderen, weil Nezzie den kleinen Rydag angenommen hat.

„Nezzie, er weiß“, sagte Ayla leise. „Er kein Tier, kein Flachkopf. Er ist Kind von Clan und Kind von Anderen.“

„Daß er kein Tier ist, weiß ich, Ayla“, sagte Nezzie. „Aber was ist das – Clan?“


Ohohoh. Jetzt kommt's. Jetzt kommt's raus.

Ayla erklärt, dass die „Flachköpfe“ sich selbst Clan nennen würden.
Wieso sich selbst nennen? Die könnten doch gar nicht sprechen.
Nein, meint Ayla, nicht mit Worten. Die sprechen mit dem Körper und den Händen.
Huh? Woher sie das denn wisse?

Jondalar holte tief Atem und hielt ihn dann an, während er auf die Antwort wartete.


Nun, sie sei beim Clan aufgewachsen, sagt Ayla schlicht.

„Der Clan, das waren meine Leute.“

Es herrschte betretenes Schweigen, als die Bedeutung dessen, was sie da gesagt hatte, klarwurde.

„Soll das heißen, du hast unter Flachköpfen gelebt? Mit diesen dreckigen Tieren zusammengelebt?“ entfuhr es Frebec voller Abscheu.


Frebec wieder.

Das Lager gerät in Aufruhr. Allerdings nicht primär wegen Aylas Enthüllung sondern wegen Frebecs gesellschaftlichem Faux-pas. Selbst wenn einige ihm so grundästzlich gedanklich erst mal zugestimmt haben sollten, so benimmt man sich Gästen gegenüber einfach nicht, basta!

Talut Bärenbart lässt seine gewaltige Stimme ertönen und das Stimmengewirr verstummt.

„Ich meine, ehe irgend jemand sonst etwas sagt, sollten wir uns anhören, was Ayla zu sagen hat.“


Ja, das ist sinnvoll. So erzählt Ayla davon, dass sie nach einem Erdbeben, noch ganz jung, vom weisen Mann und der Medizinfrau eines Clans gefunden und aufgenommen wurde. [Hier bemerkt Ayla, dass Jondalar besonders angespannt zuhört, als wolle er nicht, dass sie bestimmte Dinge erzählt.] Mit vierzehn hätte sie den Clan dann verlassen um sich auf die Suche nach „den Anderen“ zu machen.

Mit 14? Alter Schwede! Dann hat sie ihren Sohn mit 12 bekommen? Das hat ja nicht mal Marthe geschafft.

Gut, jedenfalls fasst sie den zweiten Band nochmal schnell ein ein paar Sätzen zusammen: sie hätte im Tal der Pferde gelebt, Pferde und Höhlenlöwen gezähmt und dann sei Jondalar gekommen. Ende.

Der Stamm des Höhlenlöwen ist erst einmal wie vor den Kopf geschlagen. Solche Neuigkeiten sind nun mal schwer zu verdauen. Vor allem stellt sich die Frage, ob Ayla überhaupt ein richtiger Mensch sei, wenn sie doch Jahre unter den Flachschädeln gelebt hatte?

Ja, und? Ist das ansteckend?

Dann hat Ayla eine Idee. Clankinder werden wohl schon mit so einer Art Rassengedächtnis geboren, und so zeigt sie Rydag das Handzeichen für „Mutter“. Sofort dämmert es ihm.

Dann wandte er sich an Nezzie und vollführte die Geste noch einmal. Und Nezzie sah Ayla an.

„Er zu dir sagen: 'Mutter'“, erklärte Ayla.

„Mutter?“ sagte Nezzie, schloß dann die Augen, drängte die Tränen zurück und herzte das Kind, das sie vom ersten Tag seines Lebens an versorgt hatte.

„Talut! Hast du das gesehen? Rydag hat mich eben 'Mutter' genannt. Nie hätte ich gedacht, daß ich das noch einmal erlebe – daß Rydag 'Mutter' zu mir sagt.“


Jaaaaaa. Sieht so aus, als hätte Peinlich-Ayla zumindest schon mal die Frau des Häuptlings auf ihrer Seite, huh?

9 Kommentare:

Lalei hat gesagt…

...und heute stelle ich vor, die neueste Kreuzung: Marthayla Sue.
Wunderschön und anders - immer zu gebrauchen, egal ob Peinlichkeiten, Heilen oder Tiere Zähmen, sie kann alles ;)

Oder um mit dem Bibliothekar zu sprechen: Ugh.

A. Nym hat gesagt…

Neanderthaler (als Aylthe vom Clan weggeht kannte sie noch nix anderes) können zählen? Ich habe keine Ahnung, aber es erscheint mir... seltsam. Vor allem so weit zählen.

Und ich glaube auch kaum, dass die so schön und fein gesprochen haben, so mit Haupt- und Nebensätzen. :ugly:

Marina hat gesagt…

Ich wollte gerade sagen - wie spricht denn die Ayla? Also spricht die immer in so "Du großer Mann!"- Zeugs?

Interessant, interessant.

FrauKatz hat gesagt…

@Lalei
Der Bibliothekar! :-D Ugh!

@A. Nym
Soweit ich mich erinnere, hat Jodelkarl Ayla sowohl das Zählen als auch das Sprechen (wieder) beigebracht. Ein bisschen Spracherinnerungen werden wohl noch dagewesen sein, sie war ja schon ca. 5 Jahre alt, als das Erdbeben sich ereignete.

@Evangelina
Ja, so ganz firm ist Ayla im Sprechen noch nicht. Dafür kann sie ganz toll auf clanisch fuchteln. :ugly:

Silph hat gesagt…

Herzzereißend. Rührend. Was für ein Bild!
Und Karli hat sie nicht unterbrochen?

Anonym hat gesagt…

doch doch, das mit dem Zählen wird ja schon im ersten Band erwähnt (was Creb ja schlichtweg aus den Latschen haut, dass dieses hässliche Kind Zahlen erfassen kann). Und im zweiten Band zählt sie ja schon mit Stäben in Fünferpäckchen.

Alcarinque hat gesagt…

Rassengedächtnis inklusive einer kompletten Sprache?
Wow, da hätten ja die "Weißen" noch was von lernen können, und was tun sie? Essen alle auf. :ugly:

Halefa hat gesagt…

"Mit 14? Alter Schwede! Dann hat sie ihren Sohn mit 12 bekommen? Das hat ja nicht mal Marthe geschafft. "

Und mit 11 das erste Mal verwarnt. Was unheimlich spät ist für eine Clan-Frau, aber Ayla war ja auch so hässlich, dass sie keiner wollte ...

Cara hat gesagt…

Jaja, das Clangedächtnis. Das erinnert mich an irgendeine peinliche SiFi-Serie... Stargate? Ich weiß nicht mehr. Aber da konnte sich auch irgendwer an alles erinnern, was seine Vorfahren bis zu seiner Geburt erlebt haben, bis gaaaaaaaaanz zurück zum Einzeller quasi.

Irgendwie krank. Auf der einen Seite erhebt Auel mit ihren eeeeeeeeewig langen Beschreibungen von Flora und Fauna schon fast einen wissenschaftlichen Anspruch, und auf der anderen Seite dann sowas...