Donnerstag, 5. Februar 2009

Die Hebamme XXXII – Randolfs Einzug

Jungejunge, man merkt, dass ich gestern Abend schlecht gelaunt war.

Doch zurück zum eigentlichen Geschehen.

Mit einer stattlichen Zahl bewaffneter Männer war Randolf aufgebrochen. Er plante, das Dorf mit einem eindrucksvollen Auftritt zu überrumpeln. Niemand ahnte etwas von seinem Kommen[.]

Wetten, dass?

Randy phantasiert auf dem Weg zum Dorf noch etwas über die erste Verwarnung Marthes, darüber, wie er das Dorf seines Rivalen unter seine Herrschaft zwingen würde, er würde Chris aus dem Weg räumen, die Dorfbewohner würden vor ihm schlottern und die Frauen wären ihm ausgeliefert, auch Marthe, die er in Ketten legen könnte, um sie sich dann gefügig zu machen, wahlweise könnte er sie auch gleich vor den Augen aller „nehmen“, um dem Dorfplebs mal so richtig zu zeigen, wer jetzt hier der Herr ist.

Diese erbaulichen Gedanken bleiben nicht ohne Folgen.

Randolf fühlte, wie sein [Verwarninstrument] hart wurde. So konnte er nicht weiterreiten. Er befahl eine Rast.

Jau, das sind so die Probleme, die man als Mann guter Herkunft im Mittelalter so hat. Macht man sich heutzutage ja keine Vorstellung mehr von. Das ist wirklich bildend.

Nachdem seine Aufregung dann abgeflaut ist, reiten sie weiter. Geplant war, in voller Rüstung ins Dorf einzureiten um gehörig Eindruck zu schinden. Doch ach, doch weh ...

Vor ihm stand Christian im Kettenhemd, mit gegürtetem Schwert, die Rechte locker am Heft, und versperrte ihm den Weg. An seiner Seite war ein Geistlicher, dicht hinter den beiden hatten sich Richard und Gero aufgebaut.

Jaaa, das fängt schon mal nicht so an wie geplant. Hust. Randolf ist stinkig. Erstens ist Chris da, zweitens hat er Verstärkung, drittens darf ein Pfaffe nicht einfach so niedergeritten werden und viertens sind die furchtsamen Bauern nicht gar so furchtsam wie erwartet sondern stehen in einigem Abstand herum und blicken finster.

Es folgt dann das unumgängliche Revierverteidigungsverhalten des Homo sapiens. Man könnte sagen in Randolfs Fall eher des Homo erectus, aber das wäre doch eine sehr grobe Art von Humor.
Randolf behauptet also, er sei jetzt der Herr des Dorfes, basta.
Nix da, meint uns Chris, als Vogt sollst Du über eine Burg herrschen, aber ich sehe hier noch keine. Randy solle auf Weisung des Markgrafen einen Herrenhof errichten, und zwar auf der anderen Seite des Baches. Der Herr des Dorfes sei und bleibe er, Chris, und Randy solle sich mal schnell über den Bach scheren und mit dem Bauen beginnen.

Randolf schäumt und zieht sein Schwert. Dieses mal das tatsächliche hoffe ich, ansonsten hätte dieses Buch grade eine wirklich überraschende Kehrtwende eingeschlagen.

Hörte er da von der Seite ein Kichern? Machte sich das Bauernpack über ihn lustig?
„Ich will vor aller Augen und Ohren klarstellen, was du darfst und was nicht“, fuhr Christian gelassen fort. „Da ist die Furt, wir lassen euch ungehindert auf eure Seite des Landes. Die Bergleute werden ordnungsgemäß Ottos Silberanteil bei dir der deinem Verwalter abrechnen. Wenn Du willst, könnt ihr sogar die Arbeit meines Schmiedes in Anspruch nehmen – gegen Bezahlung natürlich. Aber du wirst meine Leute nicht schinden.“

Hach. Unser Held. Und er sieht gut dabei aus.

Nein, das läuft ganz und gar nicht so, wie Randolf es sich zusammenphantasiert hatte. Als Mann der Tat zieht er gleich sein Schwert und stürzt mit dem Kampfschrei „Du Bastard“ auf Chris los. Der zieht ebenfalls sein Schwert und sieht bemerkenswert uneingeschüchtert aus.

Eine gute Gelegenheit für Randolf sich daran zu erinnern, dass Chris ihm bislang immer Niederlagen beschert hatte, wenn sie im Zweikampf gegeneinander antraten. Was tut er also? Er zieht sein Schwert ein, blafft noch ein wenig herum, dass die Bergleute von nun an ein Drittel allen Silbers beim heimtückischen Hartwig, dem Verwalter, abzuliefern hätten, bläst noch ein bisschen die Backen auf und macht sich dann vom Acker.

Marthe beobachtet das Geschehen durch eine kleine Fensterluke ihrer Kate.

Rückblende.

Sofort im Anschluss an die Nachrichtenübermittlung hatte sich Raimund sofort auf den Weg gemacht um Chris zu warnen. Marthe war gleich zu Josie gelaufen und bat sie schluchzend um Rat.

„Was soll ich nur tun? Sie werden Christian umbringen! Und ich kann nie wieder ins Dorf zurück!“, hatte sie geschluchzt.

O mein Gott, wir werden alle sterben. Jau. Josie ist über Ottos Azephalie auch erschrocken, tröstet Märthsche aber. Randolf würde nicht im Dorf bleiben, solange Chris da sei. Er würde einen Verwalter einsetzen, nach Meißen gehen und Randolf bleiben.

Dann wird Josie ebenfalls visionär und meint, dass Marthe doch noch einen anderen Grund hätte, Randy zu fürchten, nichtwahr?
Marthe nickt und Josie jammert, dass sie es hätte wissen müssen. Jammer, klag, härm, Blut wird fliessen, und alles hinge davon ab, ob die Leute im Dorf zusammenhalten.

Whoopsi, das beißt sich ein bisschen mit Marthes Vision des Schrecklichen Verrats™. Aber tun kann man ja nix, weil die Visionen immer erst hinterher Sinn ergeben. Wie ungünstig.

Während Raimund wie vom Teufel gehetzt zu Christian reitet erkundet Hedwig, welche Rechte genau Otto der Hanswurst Randolf übertragen hat (und vor allem welche nicht!), Susi spioniert bei den Angestellten, Marthe fragt den Waffenmeister aus. Ein veritables Geheimdienstnetzwerk wurde da aus dem Boden gestampft, alle Achtung.
Kurz vor Randolfs Aufbruch schickte Heddi dann Marthe mit Gero und Raimund ins Dorf, so als Verstärkung.

Wie es ausging wissen wir ja.

Die Dörfler, Chris und seine Mannen atmen erst mal erleichtert auf. Chris ermahnt den Rest aber, nicht übermütig zu werden, denn das sei erst der Beginn einer Kette von Repressalien, die sich Randolf garantiert ausdenken würde. Sie sollten alle vorsichtig sein und dem fiesen Möpp keinen Anlass bieten, ihnen etwas anzutun.

Ach, auf einmal? Bislang konnten die hohen Herren doch tun und lassen, was sie wollten, keiner war dagegen gefeit, und auf einmal hilft es, wenn man keinen Anlass bietet?
Ja, gut, wennste meinst.

Am Abend kommen Karl und Wippi zurück in die Kate, wo sich Marthe und Mädchen immer noch versteckt halten, und erzählen aufgeregt von den Ereignissen. Marthe ermahnt die Mädels, schön in der Kate zu bleiben, solange der böse Mann da sei.
Sie linst aus dem Fenster und bemerkt, dass Randolf sich nach ein paar Anweisungen nun auf den Weg Richtung Bertholdsdorf macht, um dort standesgemäß zu logieren. Sie atmet auf und sieht dann Chris auf die Kate zukommen.

Der schickt erst mal alle aus dem Haus.

Während die drei überrascht das Haus verließen, richtete er seinen Blick auf Marthe, die fast verängstigt wirkte. Fürchtet sie mich immer noch?, schoss es Christian durch den Kopf.
Sie musste inzwischen sechzehn Jahre alt sein. Aus dem verschreckten und zugleich entschlossenen Mädchen [...] war eine junge Frau geworden, die auf faszinierende Weise Zartheit und Kraft in sich vereinte.
Sie war schön, ganz gleich, ob auf Hedwigs BEfehl herausgeputzt [...] oder im schlichten Bauernkleid[.]
Auch nach zwei Jahren Ehe war bei ihr noch keinerlei Anzeichen einer Schwangerschaft zu erkennen. Vielleicht rührt Wiprecht sie wirklich nicht an, hoffte er wieder einmal.

Zartheit und Kraft in der schönen Marthe vereint, die mittlerweile schon sechzehn sein muss. Höret die Glocken, die Engelschöre, dass so ein perfekt' Geschöpf gar wandelt auf dieser schwarzen Erde.

Gnampf.

Marthe macht sich auch so ihre Gedanken, was Chris hier will. Wo er doch immer so abweisend war seit dem Kuss.
Wo ist denn der gefühlsempfangende Kurzwellensender jetzt? Hm? Kaputt? Batterie leer? Trägt Chris ein Mützchen aus Alufolie? Wo hakt es denn?

Aber wurscht. Chris möchte sich nur bei Marthe bedanken und gleichzeitig fragen, ob sie nicht noch so eine klitzekleine Vision hatte, die hilfreich sein könnte.
Daraufhin ringt sich Marthe dazu durch, ihm von der Großen Schändlichen Verratvision™ zu erzählen, die jetzt schon seit Anfang des Buches mitgeschleppt wird. Roter Faden, hu?

Er nickte ihr zu. „Ich werde Deine Warnung nicht vergessen und die Augen offen halten.“

Ja, mach das mal, Du mit Deinen eisenharten Muskelsträngen.

Als Wippi in die Kate zurück darf, ist er höchst verdrießlich und knört herum, was Chris denn gewollt hätte und dass es ihm nicht passe, wenn er alleine mit Marthe spräche.
Die heilige Hebamme lügt ihren ihr angetrauten Ehemann kurzerhand an und meint, der Herr habe nur wissen wollen, ob die Markgräfin ihm noch etwas hätte ausrichten lassen.

Wie erwartet nimmt das Wippi den Wind aus den Segeln, denn dass Marthe Umgang mit solch hochherrschaftlichem Gesindel hat geht ihm immer noch über das Brett vor seinem Kopf. Er verzieht sich und Marthe hat ihre Ruhe.

Die nächsten Tage zeigen, dass Randolf wohl gleich von Bertholdsdorf aus wieder nach Meißen zurückgeritten ist. Gibt momentan auch zu wenig Verwarnungsmöglichkeiten, da isses da im dunklen Wald ja langweilig. Pöh. Nach ein paar Tagen folgen ihm die Ritter von jenseits des Flusses, so dass dort nur noch der heimtückische Verwalter Hartwig und die Bauknechte verbleiben. Es ließ sich nicht vermeiden, dass das Rattengesicht und die Knechte manchmal nach Christiansdorf kamen, vorläufig benahmen sie sich aber ganz ordentlich.

Aber jeder wusste, dass das nicht so bleiben würde.
Jeder wusste, dass etwas geschehen würde.
Und jeder wartete darauf.


Na, könnt ihr es vor Spannung noch aushalten?

11 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

"des Homo erectus"

Pfnihihihi, es erheitert mich mehr als es mich wohl erheitern sollte.

Anonym hat gesagt…

"Trägt Chris ein Mützchen aus Alufolie?"

Muhaha, du wirst immer besser. :D

Anonym hat gesagt…

Kaum auszuhalten, diese Spannung. *hibbel*

@Tokvi: Ah, da war ich also nicht die einzige, die heute offenbar ihren grobhumorigen Tag hat. *kicher*

Anonym hat gesagt…

Ich fands auch lustig. *meld* :ugly:

Anonym hat gesagt…

@Zikädsche
Huch, hoher Besuch und großes Lob. Firma dankt. :-D

@Rest
Na, ich fand's ja auch lustig, deswegen habe ich letztendlich auch hingeschrieben. Hüstel. :ugly:

Anonym hat gesagt…

James Purejoy sieht bestimmt auch noch mit einer Mütze aus Alufolie gut aus :herzchen:

Vinni

Anonym hat gesagt…

*rofl* Ich fand's auch lustig - und insgesamt ist dieser Eintrag definitiv ein Höhepunkt. Sehr grandios, Vianne!

*lachtränen wegwisch*

Anonym hat gesagt…

Es hilft wirklich nicht besonders, daß ich beim Stichwort "Mützchen aus Alufolie" ein passendes Bild von Cirdan vor Augen hatte. :ugly:

http://fotogalerie.herr-der-ringe-film.de/showphoto.php?photo=173959

Ansonsten: Was meine Vorpostereusen sagten. :grin:

Anonym hat gesagt…

:infantil kicher:

Anonym hat gesagt…

>>Man könnte sagen in Randolfs Fall eher des Homo erectus, aber das wäre doch eine sehr grobe Art von Humor.<<
... und bei all der Subtilität, die die Autorin des Buches an den Tag legt, wäre das ja nun wirklich völlig unpassend und out of Schreibstil.

Unknown hat gesagt…

Boar ey...vielleicht hat die Frau ja historisch ganz gut recherchiert (Mit dem Löwen und so), aber so grundlegende Dinge wie zum Beispiel warum zwei Ritter nichts Besseres zu tun haben, als eine minderjährige Hebamme zu verfolgen...aber gut, Marthe scheint ja ein Starkstrommagnet zu sein. Da kann man halt nichts machen.

Toller Blog, übrigens! Ich lach mich hier wirklich halb tot teilweise ^^

Liebe Grüße,

Anja